Viele Prozess-Projekte leiden darunter, dass weder die Beteiligten noch der Auftraggeber geteilte Prozessmanagement Ziele haben. Die zentralen Fragen, was durch das Arbeiten an und mit Prozessen besser werden kann und was ihnen Prozessorientierung persönlich und was es dem Unternehmen bringt, können nicht beantwortet werden. Schlimmstenfalls ist auch der Auftrag nicht geklärt und es gibt keinen Auftraggeber oder Sponsor, der auch in schwierigen Situationen nachdrücklich hinter dem Projekt steht.
In diesem zweiten Teil der Blogserie thematisieren wir den ersten Erfolgsfaktor für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung: Prozessmanagement Ziele und Zukunftsbild.
Im ersten Teil der Blogserie gehen wir allgemein auf alle sieben Erfolgsfaktoren ein und erläutern Ihnen das vierstufige Reifegradmodell der Prozessorientierung.
Im Rahmen einer siebenteiligen Beitragsserie werden wir chronologisch alle sieben Erfolgsfaktoren für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung im 2-Wochen-Zyklus detaillierter thematisieren.
Um ein attraktives Zukunfts- und Zielbild definieren zu können, sollten folgende Checkpunkte beantwortet bzw. erfüllt sein:
- Haben alle Beteiligte ein einheitliches Zielbild, was durch das Arbeiten an und mit Prozessen besser werden kann und was ihnen Prozessorientierung persönlich bringt?
- Was bringt es den Führungskräften, was den Mitarbeitenden?
- Gibt es einen Auftraggeber oder Sponsor im obersten Führungskreis?
Die Bandbreite von Prozess-Projekten ist sehr groß und reicht von einer „einfachen“ Prozessaufnahme und Verbesserung über die Unterstützung oder (Teil-)Automatisierung von Prozessen bis hin zur Organisationsentwicklung durch die Etablierung von Prozessverantwortung, die bis hin zu einer stringenten Weiterentwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie über Prozesse führen kann.
Wie im Startbeitrag geschrieben, werden Prozesse mit dem Zielbild eines wirtschaftlichen Kundenfokus dann lebendig und wirksam, wenn die Verantwortlichkeiten für die Durchführung von Aktivitäten und die Steuerung der Prozesse definiert und von allen Beteiligten gelebt werden, d.h. ein Gestalten, Dokumentieren und Einführen von Prozessen ist ein wichtiges Mittel – aber meist nicht der eigentliche Zweck.
Und je weiter die Prozessorientierung entwickelt ist, desto anspruchsvollere Herausforderungen der Informationsvernetzung und Digitalisierung können Sie prozessorientiert beherrschen. Die vier typischen Stufen, in denen Sie unterschiedliche Potenziale der Prozessorientierung erschließen können hatten wir bereits aufgezeigt – je nach aktuellem Reifegrad und den Zielen Ihrer Organisation ergeben sich unterschiedliche Aufträge und Zielbilder für Ihr Prozess-Projekt.
Prozessmanagement Ziele entstehen idealerweise im Strategieprozess – die Normalität sieht meist anders aus
Wie kann nun mit dem Management- und Projektteam ein unternehmensspezifisches Zielbild für Ihr Prozess-Projekt oder die Prozessorientierung für Ihr Unternehmen erarbeitet werden?
Idealer Weise könnte das Zielbild bereits im Strategieprozess entstehen. Dieser hat sich häufig von eher klassischen hin zu agilen Methoden weiterentwickelt. In diesem Fall werden das Nutzenversprechen von Produkten und Services, die ansprechbaren Kundensegmente mit der erwarteten Kundenbeziehung und den passenden Kanälen ebenso betrachtet wie die erforderlichen Schlüsselressourcen, wesentlichen Partner und alle wichtigen Aktivitäten, die zur Umsetzung erforderlich sind. Gleichzeitig werden die Einnahmeströme und die Kostenstrukturen erarbeitet und bewertet, um die Entwicklung und Entscheidung neuer Geschäfte oder ganzer Geschäftsmodelle zu unterstützen.
Spätestens mit dem Start des operativen Geschäftes müssen die relevanten Prozesse verfügbar sein und für eine erfolgreiche Umsetzung von definierten Verantwortlichen gesteuert, stufenweise ausgebaut und verbessert werden. Die Transparenz über die benötigten Prozesse und die Verantwortlichen geht aus einer Prozesslandkarte hervor, die das Geschäftsmodell visualisiert und „erklärt“ und stufenweise um alle weiteren benötigten Prozesse erweitert wird.
Die Normalität sieht jedoch meist anders aus. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben oft keinen expliziten Strategieprozess, sondern binden die Entwicklung und das Review von Unternehmenszielen sowie die Ableitung von Projekten und Maßnahmen pragmatisch in die Jahresplanung/Budgetierung und deren übergeordnete Steuerung ein. Dabei haben die Beteiligten in aller Regel eine funktionale Verantwortung, die meist auch die Perspektive bestimmt. Im Resultat kann das zu „blinden Flecken“ für die Potenziale einer „end to end“ Prozessbetrachtung und den notwendigen Konsequenzen für die Steuerung und Verantwortungsverteilung für die Prozesse führen.
Wie Sie einen Management-Workshop als Inkubator für ein geteiltes Zielbild für Prozessorientierung nutzen
An dieser Stelle unterstützt ein (Management-)Workshop, in dem Grundlagen der Prozessorientierung erläutert und an der Unternehmenswirklichkeit der Teilnehmer gespiegelt werden. Das Bild „Prozesse schlängeln sich durch die Aufbauorganisation“ wird genutzt, um die Zusammenhänge der eigenen Prozesse und die Konsequenzen für eine kundenfokussierte Ausrichtung gemeinsam zu entwickeln.
In dem Bild sollte auch klar werden, auf welcher Ebene sich der Prozess durch die Aufbauorganisation „schlängelt. Zumeist werden hier Aufgaben, die gedanklich Stellen bzw. Positionen im Unternehmen zugewiesen sind, zu einem Prozess verbunden, der sich dann symbolisch durch beteiligte Organisationseinheiten zieht. Gleichzeitig hat das vorhandene Prozessmanagement die tatsächlich modellierten Prozesse aber häufig so fein unterteilt, dass ein einzelner Prozess tatsächlich wenige Abteilungsgrenzen durchbricht, die sogar meist in einem gemeinsamen Bereich liegen.
Hier greift dann die Auseinandersetzung mit einer Differenzierung von Prozessverantwortung in die operative Verantwortung für einen oder mehrere Prozesse und einen strategischen Prozessverantwortlichen, der die Prozessmanagement Ziele innerhalb des Ende-zu-Ende Prozesses mit Blick auf die geforderten Ergebnisse abstimmt und verbindlich festlegt.
Diese Ende-zu-Ende-Prozesse verbinden Prozesse aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens zu einem von der „Kundenanforderung“ zum „Kunden“ laufenden übergeordneten Prozess. Damit liegen die „functional processes“ in unterschiedlichen Bereichen/Abteilungen des Unternehmens und werden im Rahmen des Prozessmanagements in ähnlich der Aufbauorganisation geführten Strukturen des Prozessmodells auf Prozesslandkarten eingeordnet. Mit den zusätzlichen Rollen der Prozessverantwortlichen entsteht eine Mehrfachzuordnung von Verantwortlichkeiten in der Aufbauorganisation, eine Matrix-Organisation. D.h. eine Führungskraft hat die bisherige Verantwortung (fachlich, disziplinarisch, Budget) für eine Funktion und zusätzlich die operative oder strategische Prozessverantwortung für einen oder mehrere Prozesse (fachlich, Ergebnisse), bei denen er typischerweise bereits heute die überwiegenden Ressourcen verantwortet. Die Auseinandersetzung mit den Rollen einer strategischen und einer operativen Prozessverantwortung umfasst auch zwingend deren Zusammenspiel mit der funktionalen Linienorganisation.
Prozessorientierung ist damit aber nicht an eine bestimmte Form der Aufbauorganisation gebunden, sondern definiert und entwickelt diese so, dass ein Optimum zwischen Effizienz und Effektivität erreicht wird. Die reine Funktionsorganisation ermöglicht bei sehr klaren und stabilen Anforderungen eine maximale Effizienz. Eine reine Prozessorganisation schafft in einem dynamischen Umfeld und wechselnden Anforderungen Schnelligkeit und die bestmögliche Effektivität, d.h. Kundenzufriedenheit. Spätestens bei mehreren Produktsparten und einem gemeinsamen Lösungsangebot wird aber deutlich, dass eine reine Prozessorganisation der Sparten für den Kunden unbefriedigend wäre, weil er sich eine Bündelung in einem (funktionalen) Vertrieb wünscht. Aber stabile Anforderungen sind heute die Ausnahme und nicht die Regel und der Grad der Prozessorientierung sollte steigen.
Der Einstieg in den Nutzen und die mögliche Darstellungsform des eigenen Geschäftes und der Verantwortlichkeiten in einer Prozesslandkarte sind wichtige Agendapunkte eines Zielbildworkshops. Wie und von wem /welcher Organisationseinheit das Prozessmanagement bzw. die Prozessorientierung unterstützt werden sollte, ob eher zentral oder eher dezentral können weitere wichtige Aspekte für das jeweilige Projekt sein.
Blick in die Zukunft: Fragen Sie, was sich durch Ihr Prozess-Projekt verändert haben wird
Die Auseinandersetzung, welcher konkrete Nutzen durch Prozessmanagement bzw. Prozessorientierung erreichbar ist, kann mit einer einfachen Frage getriggert und nach einem Brainwriting in einer moderierten Gruppenarbeit konsolidiert werden.
Stellen sie sich vor wir haben ein Jahr sehr erfolgreich unser Prozess-Projekt umgesetzt und unsere Prozessorientierung so verbessert, wie Sie es sich immer gewünscht haben.
Sie kommen am 2.1.2023 aus dem Weihnachtsurlaub zurück ins Geschäft. Was hören und sehen Sie? Was ist anders? Was hat sich verbessert? – die folgende Grafik zeigt beispielhafte Antworten der Teilnehmer auf diese abgewandelte “Wunder-Frage”.
Nach dieser Session haben Sie ein sehr viel klareres und geteilteres Bild der Erwartungen als zuvor. Im besten Fall führt dies auch zu mehr Spirit und auch Commitment bis hin zu Auftraggeber und Sponsoren. Eingebettet in den aufgezeigten Workshop kann es ein tragfähiges Fundament für ihr Prozess-Projekt sein.
Mit Aeneis können Sie in der Folge auch den Reifegrad ihrer Prozesse mit den formulierten Prozessmanagement Zielen vergleichen und transparent machen.
Suchen Sie Einblicke in einen konsequent prozessorientierten Strategieprozess? Unser Partner Thomas Hardegger und die BusinessPartner AG unterstützen Sie gerne mit ihren umfangreichen Erfahrungen.
Gute Praktiken in unseren Blogs
Zu jedem der sieben Erfolgsfaktoren stelle ich mit Kolleginnen und Kollegen der Intellior AG und aus unserem Partnernetzwerk in einer Reihe von Folgebeiträgen „Gute Praktiken“ vor, die mit der BPM-Plattform Aeneis der intellior unterstützt werden und mit denen Sie eine wirksame Prozessorientierung erreichen können.
Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Diskussionen und Ihre Erfahrungen gerne direkt per E-Mail an die Autoren oder vereinbaren Sie ein Expertengespräch mit unseren Beratern – Jetzt Termin vereinbaren!