Im dritten Teil der Blogserie “7 Erfolgsfaktoren für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung” beschäftigen wir uns mit dem zweiten Erfolgsfaktor: Eine klare Kunden- und Stakeholder-Fokussierung. Gemeinsam mit Matthias Meinecke (Professor für Operations-Management und Vorstand am Institut für Digitalisierung Aachen, FH Aachen), der ebenfalls zahlreiche Unternehmen bei unterschiedlichen Arten und Dimensionen von Reorganisationen unterstützt hat, haben wir diesen weiteren Erfolgsfaktor für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung identifiziert und ausgearbeitet. Bei der Operationalisierung einer Unternehmensinnovation wird häufig unterschätzt wie wichtig die Prozesslandkarte als starkes Kommunikationsinstrument zur Erklärung des neuen oder veränderten Geschäftsmodells ist. Die grafische Erfassung und Strukturierung aller Prozesse dient nicht nur der Übersichtlichkeit für Mitarbeiter, welche Prozesse jeweils für sie relevant sind, vielmehr schärft es das Bewusstsein einer klaren Kunden- und Stakeholder-Fokussierung.
Der dritte Teil unserer Blog-Serie widmet sich daher dem zweiten Erfolgsfaktor für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung: „Klarer Kunden- und Stakeholderfokus“. Folgende Fragestellungen stehen bei diesem Erfolgsfaktor im Zentrum:
Werden externer und interner Kundenfokus durch Prozesslandkarten mit guter Visualisierung der Zusammenhänge des Geschäfts unterstützt?
Fördern die dargestellten Prozesse ein durchgängiges Prozessverständnis (end2end)
Im Rahmen einer siebenteiligen Beitragsserie werden wir chronologisch alle sieben Erfolgsfaktoren für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung detaillierter thematisieren.
Überblick über bisherige Teile der Blog-Serie: 7 Erfolgsfaktoren für eine nachhaltig wirksame Prozessorientierung:
- Teil 1: 7 Erfolgsfaktoren für eine praktisch wirksame Prozessorientierung
- Teil 2: 1. Erfolgsfaktor für eine praktisch wirksame Prozessorientierung – Prozessmanagement Ziele und Zukunftsbild definieren
Exkurs: Prozesslandkarte / Prozesslandschaft
Der Erfolgsfaktor “klarer Kunden- und Stakeholderfokus” beinhaltet u.a. die Zusammenfassung aller Prozesse im Unternehmen in einer Prozesslandkarte. Dabei werden im ersten Schritt alle übergeordnete Prozesse wie z.B. “Kunden gewinnen” oder “Produkte weiterentwickeln” in einer Prozesslandschaft zusammengefasst. Diese übergeordnete Prozesse beinhalten weitere detaillierte Prozesse, sogenannte End-to-End Prozesse, welche miteinander verknüpft sind und die Wertschöpfungskette eines Unternehmens darstellen. Wie eine Prozesslandschaft grafisch aussehen kann, zeigt Ihnen der folgende Beitrag: Die drei beliebtesten Prozesslandkarten aus der Praxis
Alle beschäftigen sich mit innovativen Geschäftsmodellen – aber wie lassen sie sich realisieren?
Kaum ein anderes Thema beschäftigt Unternehmen so stark wie Notwendigkeit der Digitalisierung bzw. der digitalen Transformation. Unternehmen, Behörden, Verbände – alle sind betroffen und gefordert. Mantra artig wiederholen alle, die zu diesem Thema etwas zu sagen haben, die Notwendigkeit neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Es drohe die Verdrängung am Markt der Unternehmen, die diese Entwicklung versäumen. Ebenso häufig wird gemahnt, für bestehende Geschäftsmodelle alle Prozesse zu digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In diesem Zusammenhang hat eine strukturierte Auseinandersetzung mit den Begriffen Digitalisierung und digitale Transformation stattgefunden und zu einer Differenzierung der Vorhaben im Hinblick auf den Grad der Innovation und dessen Gestaltungsumfang geführt. (siehe Abbildung rechts)
Hilfreiche Werkzeuge wurden (weiter-)entwickelt
Insbesondere das Business Model Canvas und das Value Proposition Canvas helfen in strukturierter Weise dabei, Produkt- und Dienstleistungsideen zu entwickeln. Relevante Aspekte wie angenommener Kundenwert, Vertriebskanäle, Ertragsmodelle und notwendige Ressourcen werden so systematisch und in übersichtlicher Art und Weise erarbeitet und visualisiert. Für die Umsetzung von solchen entwickelten Unternehmensinnovationen reicht diese Form der Modellierung allerdings nicht aus. Ein detaillierteres Modell des Unternehmens, genauer der Unternehmensarchitektur, ist erforderlich. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das bekannte Enterprise Architecture Management bei der Implementierung von Unternehmensinnovationen helfen kann und welche Rolle insbesondere die Geschäftsarchitektur dabei spielt.
Beim Aufbau einer Unternehmensarchitektur besteht die Herausforderung in der Übersetzung der Geschäftsidee in ein Prozessmodell
Enterprise Architecture Management bezeichnet das ganzheitliche und vor allem integrierte Management von Strategie, Prozessen, IT und Aufbauorganisation – eine anspruchsvolle Aufgabe, wenn man bedenkt, dass schon das Zusammenspiel von je zwei Disziplinen die meisten Unternehmen stark fordert (siehe Abbildung rechts).
Bei der Orchestrierung von zwei Disziplinen wird häufig die Schnittstelle zwischen Businessarchitektur und Anwendungsarchitektur als besonders komplex erlebt. Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass der fachliche Kontext der für diese beiden Domänen verantwortlichen Personen sich stark unterscheidet (BWL bzw. IT Hintergrund). Ist aber die Abstimmung dieser Domänen wirklich das einzige Problem bei Umsetzung von Geschäftsmodellen? Bei der rückblickenden Betrachtung von zahlreichen Projekten zur strategischen Neuausrichtung von Unternehmen oder Unternehmensbereichen (wozu wir auch den Aufbau und die Einführung neuer Geschäftsmodelle zählen) wurde eine weitere Herausforderung erkannt und die liegt innerhalb von nur einer Domäne – der Business Architektur.
Je nach Art der Innovation ergeben sich veränderte Anforderungen auf den unterschiedlichen Ebenen der Business Architektur, vom einzelnen digitalisierten Prozess, über Prozessketten bis hin zum Geschäftsmodell mit veränderter Prozesslandkarte. Betrachtet man Beispiele des zuvor erwähnten Business Modell Canvas oder des Value Proposition Canvas zur Skizzierung von Geschäftsmodellen, dann sind diese zunächst einmal leicht verständlich und übersichtlich. Aber sie helfen kaum dabei, die Operationalisierung der Geschäftsidee voranzutreiben. Dazu sind sie auch nicht gedacht.
Der nächste Schritt besteht folglich darin, das Geschäftsmodell in Prozesse zu übersetzen. Dabei wird gefragt, welche Canvas Felder welche neuen Prozesse oder welche Anpassung von vorhandenen Prozessen benötigen, um das Geschäft operativ zu realisieren. Die Darstellung der Prozesse erfolgt üblicherweise in Form von Prozessdiagrammen nach BPMN-Standard. Diese Prozessdarstellungen dienen Führungskräften als Planungs-, Entscheidungs- und Steuerungswerkzeuge. Ausführende Mitarbeiter erhalten durch Prozessdarstellungen einerseits Informationen zu ihren Aufgaben und Verantwortungen sowie zu den zu verwendenden Ressourcen und Hilfsmitteln und andererseits operative Unterstützung bei der Ausführung selbst, z.B. durch eine Automatisierung von Aufgaben.
Unternehmen investieren hohe Beträge in die Erarbeitung und Modellierung ihrer Prozesse und stellen dennoch fest, dass diese Prozesse alleine nicht dabei helfen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Das betrifft übrigens nicht nur Unternehmen, die ein neues Geschäftsmodell realisieren wollen. Sie befinden sich in guter Gesellschaft mit Unternehmen, die seit langer Zeit existieren und zu dem Schluss kommen, Ihre Prozesse zu verbessern um effizienter zu werden, ihre Kunden schneller und flexibler bedienen zu können oder ein beliebiges anderes Ziel verfolgen.
Die zuvor erwähnte Herausforderung innerhalb der Business Architektur entsteht nun dadurch, dass die Übersetzung eines grob skizzierten Geschäftsmodells in Prozessdiagramme häufig misslingt. Das wesentliche Bindeglied ist nach unserer Erfahrung eine gute Prozesslandkarte. Je nach Tragweite der Geschäftsmodellanpassung entsteht eine veränderte Prozessstruktur mit einer völlig neuen oder einer nur veränderten Prozesslandkarte.
Was Sie bei der grafischen Darstellung Ihrer Prozesslandschaft beachten sollten
Vielen dürften die typischen „Text in Pfeilen“-Darstellungen bekannt sein, was gut ist. Denn sie ist wichtig. Über die grafische Erarbeitung einer Prozesslandschaft auf mehreren Ebenen – also Prozesse, die auf der nächsten Ebene in Unterprozesse oder Teilprozesse verfeinert werden, bis sie dann auf der untersten Ebene als Prozessdiagramm dargestellt werden – lässt sich ein überschneidungsfreies, lückenloses und vollständiges Abbild aller Prozesse eines Unternehmens erzeugen. Die Prozesslandschaft ist also so etwas wie ein Inhaltsverzeichnis und sie dient vorrangig als solches. Viele Unternehmen nutzen sie zudem, um Verantwortliche Rollen und Personen für Prozesse zu definieren. Einige wenige dieser Unternehmen verstehen diese Verantwortung als Führungsaufgabe und machen so den ersten Schritt hin zu einem prozessorientierten Unternehmen. Aber wer kennt ein Beispiel einer Prozesslandkarte, anhand welcher sich ein Geschäftsmodell wirklich erklären lässt. Und zwar auf einem Niveau, dass es erlaubt die Zusammenhänge zwischen den Prozessen und damit die „Logik“ des Modells so spezifisch zu beschreiben, dass entscheidende Merkmale (Innovationen, Differenzierung, …) sichtbar und nachvollziehbar werden.
Die nüchterne Wahrheit ist, dass Landkarten auf oberster Darstellungseben häufig so stark abstrahiert sind, dass sich daran ein Lohnfertiger in der Automobilindustrie und ein Anlagenbauunternehmen kaum unterschieden lassen. Sie bestehen in der Regel aus einer durch Kundenanforderungen als Input und erzeugten Kundenwert als Output vorgetäuschte End-to-End Sicht mit einer Unterscheidung zwischen Leistungs-, Führungs- und Unterstützungsprozessen, die so ausdruckslose Bezeichnungen wie „Produkte entwickeln“ und „Produkte verkaufen“ tragen (siehe Abbildung rechts. Das Problem so einer Prozesslandkarte ist, dass sie keinerlei „Orientierung“ bietet. Sie hilft nicht dabei, zu verstehen wie das Unternehmen funktioniert, wie es seine Kunden bedient, wie Planung und Umsetzung zusammenhängen, wie mit Abweichungen von Planungen umgegangen wird oder ob die Produktion in der Auftragsabwicklung eine Rolle spielt oder nicht. Und damit liefert die grafische Darstellung einer Prozesslandschaft außer Ihrer Funktion als Inhaltsverzeichnis keinen Mehrwert. Der Zusammenhang zwischen der groben Idee eines Geschäftsmodells und den ausführbaren Prozessen bleibt unbekannt.
An dieser Stelle kann der Nutzen eines End-2-End Prozessverständnisses, d.h. dem abteilungsübergreifenden ganzheitlichen Blick entlang der Wertschöpfungskette nur erreicht werden, wenn alle Prozesse nach festen Prinzipien abgebildet werden. Ein End-2-End Prozess beginnt immer mit einem spezifischen Kundenbedarf (z.B. Verkaufte Lösung) und endet mit einer Leistung (oder auch „Zwischenleistung“) für den Kunden (z.B. Implementierte Lösung). Die gesamte Wertschöpfung wird von den Marktanforderungen über Produktentwicklung und Markterschließung, aber auch Anfrage-, Kundengewinnung, Abschluss, Lieferung und Kundenbetreuung entlang der Touchpoints der Customer Journey abgebildet. Es werden alle Prozesse dargestellt, die ein Kunde von der Information über Produkte und Dienstleistungen bis hin zur Entscheidung und Nutzung durchläuft. Geschäftsspezifische, aktive Benennungen (z.B. Software agil entwickeln statt Produktentwicklung) machen das Geschäftsmodell verständlich. Klare Prinzipien für eine Unterteilung des End-2-End Prozesses sorgen dafür, dass dieser in seiner Komplexität reduziert und operativ steuerbar wird. Einheitliche Darstellungskonventionen vermitteln ein Verständnis über notwendige Zusammenhänge und die Verantwortlichkeiten für Prozesse.
In der unteren Abbildung ist beispielhaft die Prozesslandschaft der Intellior GmbH dargestellt. Auf der obersten Ebene (Ebene 1) bietet die Prozesslandkarte einen Überblick über das Geschäftsmodell und die dafür erforderlichen Prozesse. Diese definieren sich auf Ebene 1 über die Steuerbarkeit der Geschäfte durch klare Ziele. Außerdem gibt es Prozesseigner für jeden End-2-End Prozess sowie Prozessmanager für jeden Prozess auf Ebene 2. Damit bestehen zwischen den Prozessen (=Pfeilen) auf der obersten Landkartenebene nur schwache Beziehungen/Schnittstellen, für die eine klare Festlegung der jeweiligen Inputs und Outputs ausreicht. Wenn für jeden Prozessdurchlauf typischerweise intensive Abstimmungen zwischen mehreren Prozessen erforderlich sind, sollten diese ggf. zusammengefasst und von einem Prozessmanager verantwortet werden.
Dennoch ergeben sich fast immer Abhängigkeiten zwischen den Prozessen auf Ebene 1 und 2. Die Prozesslandkarte soll als Kommunikationsinstrument gegenüber den eigenen Mitarbeitern aber auch gegenüber externen Stakeholdern funktionieren. Eine Prüfung ob dieses Ziel erfüllt wird ist sehr sinnvoll. Erklären Sie daher unterschiedlichen Zielgruppen die Zusammenhänge in der Prozesslandschaft. Erklären Sie Ihren Kunden, wie die gekaufte Leistung erbracht wird, in welcher Zeit dies geschieht und welche Interaktion notwendig ist und nehmen Sie dabei Bezug zu den unterschiedlichen Prozessen. Erklären Sie Mitarbeitern in der Entwicklung aus welchen Prozessen Anforderungen an zukünftige Lösungen entstehen und wie diese priorisiert und in eine Produkt-Roadmap überführt werden. Sollte die Prozesslandschaft diese „Stories“ nicht unterstützen, dann werden die Mitarbeiter in ihr auch keine Hilfe sehen und die in den darunterliegenden Prozessdiagrammen dargestellten Prozesse weniger stark beachten.
Die Strukturierung der Prozesse innerhalb der Landkarte hat aber noch ein weiteres Ziel, wie am Beispiel der Intellior AG deutlich wird. Verantwortlichkeiten für Prozessgruppen und Prozesse lassen sich daraus ableiten und als Führungsinstrument nutzen. In diesem Zusammenhang können für eine Strukturierung/ Abgrenzung von Prozesslandkarten auf den Ebenen 1 und 2 folgende Fragen genutzt werden:
- Wo gibt es notwendige zeitliche Entkopplungen von Prozessen oder dazwischenliegende Prozesse, die nicht zu einem durchgängigen Prozess (gleicher Output /Kunde) gehören?
> Das erfordert eine Aufteilung / Trennung der Prozesse auf der gleichen Ebene (E1 oder E2 …). - Was sollte idealerweise „aus einer Hand“ gesteuert und weiterentwickelt werden?
> Dies erfordert einen Prozesseigner (E1 oder ggf. E2) oder einen Prozessmanager (E2 oder ggf. E3) - Kontrollfrage: Ist die Komplexität des operativen Prozesses beherrschbar? Welche kleinstmögliche Aufteilung ist erforderlich? Hier muss die Anzahl der ausführenden Rollen in Relation zur Prozesshäufigkeit und zum Standardisierungsgrad berücksichtigt werden.
> Eine Lösung der zur Reduktion der Komplexität ist die Aufteilung in Teilprozesse auf der nächsten Ebene mit eigenen Prozessmanagern (E2 oder E3).
Im Vordergrund steht immer das Ziel einer beherrschbaren Prozess-Steuerung und eindeutigen Verantwortung. Derart entwickelte Prozesslandkarten werden dem Anspruch gerecht ein „Operating Modell“ des Unternehmens zu sein und helfen dabei Unternehmensinnovationen umzusetzen und die angestrebten Ziele zu erreichen.
Zusammenfassend sollte in Transformationsprojekten immer bewertet werden, welche Anpassungen der abgebildeten Prozesslandschaft notwendig sind oder ob sogar die Entwicklung einer völlig neuen Landkarte erforderlich ist. Die Prozesslandkarte ist dabei keine Abbildung einer funktional geprägten Aufbauorganisation. Sie beschreibt vielmehr wie das Unternehmen (oder als Ausschnitt davon z.B. ein eigenständiger Geschäftsbereich) funktioniert. Sie ist das Bindeglied zwischen der Ebene der formlosen oder leicht formalisierten (siehe z.B. Business Model Canvas) Beschreibungen einer Geschäftsidee und der Ebene der Prozessdiagramme, in welcher Arbeitsabläufe, Informationsflüsse und eingesetzte Ressourcen beschrieben sind.
Gute Praktiken in unseren Blogbeiträgen
Zu jedem der sieben Erfolgsfaktoren stelle ich mit Kolleginnen und Kollegen der intellior und aus unserem Partnernetzwerk in einer Reihe von Folgebeiträgen „Gute Praktiken“ vor, die mit der BPM-Plattform Aeneis der intellior unterstützt werden und mit denen Sie eine wirksame Prozessorientierung erreichen können.
Wir freuen uns über Ihre Kommentare, Diskussionen und Ihre Erfahrungen gerne direkt per E-Mail an die Autoren oder vereinbaren Sie ein Expertengespräch mit unseren Beratern – Jetzt Termin vereinbaren!